Psychologische Sicherheit in Organisationen

Als Vorstandsmitglied mag man sich fragen, ob man sich mit diesem Thema auch noch auseinandersetzen muss. Ich denke ja, unabhängig davon, ob man Mitarbeitende beschäftigt oder die Organisation "nur" aus Mitgliedern besteht. 

Warum schweigen wir?

Im Alltag eine NPO, sei es an einer Vorstandssitzung, einer Mitgliederversammlung oder bei einem Mitarbeitermeeting gibt es ja immer wieder Situationen, in denen sich Beteiligte entscheiden müssen, ob sie zu einem Thema etwas sagen wollen, die Stimme erheben wollen, oder schweigen sollen. Der Entscheid wird nicht immer bewusst gefällt, sondern hat viel damit zu tun, ob sich die beteiligte Person sicher fühlt oder durch ihren Beitrag sich angegriffen fühlt. Sich sicher fühlen, hat viel mit Vertrauen zu tun. Aber nicht nur. Genau so gehört dazu, wie mit einzelnen Beiträgen umgegangen wird. Dabei geht es nicht um "nett sein", sondern den Beitrag ernsthaft zu würdigen.

Die Stimme zu erheben oder zu schweigen hat in diesen drei Aspekten unterschiedliche Auswirkungen:

Wer etwas sagt, nützt der Organisation oder ihren Kunden. Die Wirkung erfolgt verzögert und ein Vorteil ist unsicher. Wer schweigt, nützt sich selbst, da er keine Angriffsfläche bietet, die Wirkung ist sofort da und der Vorteil ist sicher.

In einer Organisation, in der Angst herrscht, wird geschwiegen. Schweigen verhindert Innovation oder das Vermeiden von Fehlern.

Aus Sicht einer lernenden Organisation ist es von Vorteil, wenn die Beteiligten ihre Stimme erheben. Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern hilft der Organisation, sich zu entwickeln. Amy C. Edmondson unterscheidet drei Archetypen des Scheiterns:

  • Vermeidbares Scheitern: Abweichung von bekannten Prozessen, sodass ungewollte Ergebnisse produziert werden
  • Komplexes Scheitern: Einzigartige und neue Kombinationen von Ereignissen, die zu einem Anstieg ungewollter Ergebnisse führen
  • Intelligentes Scheitern: Neuartige Abstecher in neue Gebiete führen zu ungewollten Ergebnissen

(Amy C. Edmonson, Die angstfreie Organisation, 2021, Seite 141)

Was macht den Unterschied?

Psychologische Sicherheit ist kein Gegensatz zu hohen Leistungen.

 

Organisationen mit geringen Leistungsanforderungen und niedriger psychologischer Sicherheit befinden sich in der Apathie-Zone. Die Meinung herrscht vor "es nützt ja alles doch nichts". Ist die psychologische Sicherheit hingegen hoch, bei niedrigem Leistungsanspruch, ist es recht gemütlich in der Komfort-Zone. Bei hohen Anforderungen aber geringer psychologischer Sicherheit herrscht Angst vor, es wird zwar hart gearbeitet, aber eine offene Kommunikation ist nicht möglich. Erst mit hoher psychologischer Sicherheit und hohen Standards kann sich die Organisation entwickeln und erbringt Bestleistungen.

Wie erreichen wir psychologische Sicherheit?

Eigentlich ist es keine Hexerei. Alt bewährte Führungsgrundsätze helfen, eine angstfreie Organisation zu gestalten. Dazu gehören, dass die Wertschätzung ausgedrückt wird, ein konstruktiver Umgang mit Fehlern gepflegt wird und Verstösse mit Sanktionen geahndet werden.

Es würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, dieses weite Feld der angstfreien Organisation und die Schaffung psychologischer Sicherheit in der Gänze zu erörtern. Eine gute Unterstützung zu diesem Thema bietet das Buch "Angstfreie Organisation" von Amy C. Edmondson, welches in der Bücherecke vorgestellt wird.

Oder einfach Marcel Niederer fragen.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Bereits 2005 veröffentlichten Heike Bruch und Bernd Vogel mit Organisationale Energie ein Buch, bei dem es um das Potenzial des Unternehmens geht.

«Organisational Energie ist die Kraft, mit der ein Unternehmen zielgerichtet Dinge bewegt. Die Stärke der Organisationalen Energie zeigt, in welchem Ausmass ein Unternehmen sein emotionales, mentales und verhaltensbezogenes Potenzial für die Verfolgung seiner Ziele mobilisiert hat.» (Bruch/Vogel, 2005 Organisationale Energie, Gabler Verlag, Seite 31)

Bruch/Vogel bemessen die Organisationale Energie in den zwei Dimensionen Intensität und Qualität. Dabei spiegelt die Intensität «… das Ausmass der Aktivierung der vorhandenen emotionalen, mentalen und handlungsbezogenen Potenziale wider.» (Seite 41) Hingegen beschreibt die Qualität «… hauptsächlich, inwieweit emotionale, mentale und aktionale Potenziale auf gemeinsame, zentrale Unternehmensziele – konstruktiv – ausgerichtet sind.» (Seite 41).

Die vier Felder dieser Matrix haben eine hohe Übereinstimmung mit derjenigen der psychologischen Sicherheit.

Es lässt sich einfach eine Übereinstimmung der beiden Modelle herstellen:

  • Resignative Energie <-> Apathie-Zone
  • Angenehme Energie <-> Komfort-Zone
  • Korrosive Energie <-> Angs-Zone
  • Produkte Energie <-> Zone des Lernens und der Begeisterung

Alles nur alter Wein in neuen Schläuchen? Nein, es sind unterschiedliche Herangehensweisen der beiden Denkmodelle Organisationale Energie und psychologische Sicherheit. Hingegen werden ähnlich Schlüsse gezogen und Empfehlungen abgegeben, um in den gewünschten Quadranten von Produktiver Energie beziehungsweise der Zone des Lernens und der Bestleistung zu gelangen.

Wichtig scheint mir, dass gute Führung einer Organisation Nachdenken darüber verlangen, wie geführt werden soll. Wie kann Führung einen Beitrag zum langfristigen Erfolg der Unternehmung beitragen.

 
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