Diesmal ein Blog in eigener Sache. Als Berater stelle ich mich natürlich immer wieder der Frage, ob ich meinen Kunden das Richtige biete? Sitze ich irgend einer vorgefassten Meinung auf, welche eine Problemlösung hindert oder gar verunmöglicht? Niemand ist vor vorgefassten Urteilen gefeit. Davor schützt nur die ständige Reflexion. Um diese systematisch durchzuführen, habe ich mir die Matrix der kritischen Hinterfragung zurechtgelegt. Wie funktioniert sie?

Die Dimensionen der kritischen Hinterfragung

Die Zeitachse teile ich in die zwei Teile retrospektiv und prospektiv. Sie stehen für die zurückblickende Überprüfung und die vorausschauende Betrachtung. Damit soll das erreichte kritisch gewürdigt werden und die Planung auf den Prüfstand gestellt werden.

Die Vertikale teile ich in die zwei Dimensionen operativ und strategisch auf. Jeder Art von Beratung soll von der Strategie abgeleitet sein und operationalisiert werden. Reine strategische Beratungen drohen zu Papiertiger für die Schublade zu werden, welche das Papier nicht Wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Nur operative Massnahmen ohne Abstimmung mit der Strategie können in die Irre führen und kostspielige Massnahmen auslösen, welche nicht dem Unternehmenszweck dienen.

Aus diesen beiden Dimensionen ergeben sich vier Felder:

  1. strategisch-prospektiv: erwünschte Veränderung
  2. operativ-prospektiv: geplante Massnahmen
  3. operativ-retrospektiv: durchgeführte Massnahmen
  4. strategisch-retrospektiv: erzielte Veränderung

Die kritische Hinterfragung wird in der obigen Reihenfolge bearbeitet, bzw. in der Matrix im Uhrzeigersinn. Zuerst mit dem Auftraggeber abzustimmende strategische Stossrichtungen, dann die geplanten Massnahmen, danach die Überprüfung der durchgeführten Massnahmen und nach einiger Zeit auch die erzielte Wirkung.

Matrix der kritischen Hinterfragung

Ein Fragenkatalog hilft, in den einzelnen Feldern die kritische Hinterfragung durchzuführen.

1. erwünschte Veränderung

Strategischer Fit

Stimmen die Strategie und die Werte des Kunden mit meinen Werten überein? Kann ich den Geschäftszweck des Kunden gutheissen? Verstehe ich die Kultur des Kunden und fühle mich wohl damit?

Ein Beispiele dazu. Bin ich als Berater der ESG (Enviromental, Social and Governance, ⇒ wikipedia)  verpflichtet und habe dazu Leitlinien verfasst, so muss es eine hohe Übereinstimmung mit analogen Verpflichtungen des Kunden geben. Dies kann ich im Vorfeld auf Grund öffentlicher Informationen des Kunden klären. Einiges ergibt sich allenfalls bereits aus dem Geschäftszweck des Kunden. Dabei gibt es kein schwarz-weiss, sondern ein sorgfälltiges Abwägen. Ist der Kunde in der Erdölindustrie tätig, und bei meinen Enviromental-Zielen steht die Förderung der Dekarbonisierung, ist das vordergründig ein Ausschlussgrund. Bezweckt aber das Beratungsmandat aber gerade, aus dieser Branche so auszusteigen, dass möglichst viele Mitarbeitende mit einem neuen Geschäftszweck weiter beschäftigt werden können, ist ein solches Mandat m.E. stimmig.

Sollen die Prozesse optimiert werden? So stellt sich die Frage, wie mit den frei gewordenen Ressourcen umgegangen wird. Werden Mitarbeitende entlassen oder werden sie so eingesetzt, dass es den Geschäftszweck stärkt?

Kompetenzen Fit

Ein Berater kann alles, auch seine Komptenzen überschätzen. Es gilt genau abzuwägen, welche Kompetenzfelder ein Auftrag verlangt. Nicht, was sich der Auftraggeber vorstellt, er mag sich hier genauso zu täuschen. Nicht, was ich glaube, anwenden zu können. Sondern welches sind meine Stärken, welche Methoden und Tools beherrsche ich, um den Auftrag erfüllen zu können.

Geht es um Moderation? Handelt sich um Wissenstransfer? Müssen Prozesse analysiert werden? Ist ein Kulturwandel einzuleiten? Ist es ein Einzelcoaching? Bin ich fit in den geforderten Beratungsleistungen? Kann ich meine fehlenden Kompetenzen erwerben oder mit einer zusätzlichen Ressource abdecken? Hat der Auftraggeber passende Kompetenzen selbst zur Verfügung?

Wenn ich diese Fragestellungen klar beantworten kann, darf ich den Auftrag annehmen. Sonst lehne ich besser ab. Dem Kunden kann ich vielleicht eine bessere Empfehlung geben und ich spare mir viele Sorgen, Ärger und schlaflose Nächte.

Meine Rolle

Berater können sehr unterschiedliche Rollen wahrnehmen. Es werden zwei Haupttypen unterschieden:

Expertenberatung: Ich kenne mich mit dem gefordertem Wissen bestens aus, in der Regel handelt sich dabei um Fachberatung, zum Beispiel für Produktionsabläufe eines bestimmten Industriezweigs.

Prozessberatung: Ich kenne Methoden und Tools, um Aufgabenstellungen effizient und zielgerichtet zu lösen. Beratung zum Prozessmanagement ist Expertenberatung, den die Expertise liegt im Prozessmanagement.

Es gilt sorgfältig mit dem Auftraggeber zu klären, welche Rolle, vorder- wie auch hintergründig er erwartet. Es kann gut sein, dass die Rolle im Laufe eine Beratungsprozess auch ändern kann. Dies ist gegenüber dem Auftraggeber offenzulegen, damit er nicht von einem verändertem Verhalten meinerseits überrascht oder irritiert ist. Manchmal ist er sich gar nicht so klar, dass die Rolle des Beraters eine Rolle spielen kann, die Problemlösung steht für den Auftraggeber im Vordergrund: "Hilf mir, das Problem zu lösen!"

Passt die gewünschte Rolle zu mir? Kann ich die Rolle ausfüllen? Fühle ich mich in der gewünschten Rolle wohl? Nur wenn ich dies überzeugt mit Ja beantworten kann, darf ich den Auftrag annehmen.

 

2. geplante Massnahmen

Kommt ein Beratungsauftrag zustande, wenn der erste Quadrant "erwünschte Veränderung" mit hoher Übereinstimmung positiv beantwortet wurde, werden die geplanten Massnahmen einer kritischen Hinterfragung unterzogen.

Zielgerichtet

Dienen die Massnahmen den Zielsetzungen gemäss den Vereinbarungen mit dem Auftraggeber? Gibt es Massnahmen, welche einer "hidden agenda" dienen? Glaube ich, dass die Massnahmen das Unternehmen weiterbringen?

Ressourcengerecht

Bringe ich genügend Ressourcen, quantitativ und qualitativ, mit, um die Massnahmen zu begleiten und zur Umsetzung zu verhelfen? Kann der Auftraggeber genügend Ressourcen, auch wieder quantitativ wie qualitativ, zur Verfügung stellen? Sind die Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt vorhanden? Welche Abhängigkeiten der Ressourcen untereinander gibt es? Sind die Mitarbeitenden des Auftraggebers von den Zielen überzeugt?

3. durchgeführte Massnahmen

Für den Fragenkatalog bietet sich das Projektmanagement-Canvas an: Qualität, Termin und Kosten.

Qualität

Stimmt die erzielte Qualität für den Kunden? Entspricht die Qualität den Erwartungen gemäss Auftrag?

Termin

Konnten die vereinbarten Termine eingehalten werden?

Kosten

Wurde das Budget eingehalten? Sind die Investitionen im Rahmen des Auftrages?

4. erzielte Veränderung

Abhängig vom Auftrag, gilt es, zu prüfen, ob die erzielten Veränderungen erreicht wurden. Oft sind diese erst einige Zeit wahrnehmbar. Darum sollte ein Review mit dem Auftraggeber vereinbart werden, welcher nach einiger Zeit nach Umsetzung der Massnahmen durchgeführt wird. Ist dies nicht möglich, muss ich diesen Teil der kritischen Hinterfragung für mich selbst durchführen. Mögliche Fragen sind:

Wurde das Ziel des Auftraggebers erreicht? Wurden Rahmenbedingungen eingehalten? Sind die erwünschten Veränderungen wahrnehm- oder messbar? Werden die Veränderungen von den Mitarbeitenden mitgetragen? Gab es unerwarteten Widerstand? Werden die Ergebnisse akzeptiert?


Die systematische kritische Hinterfragung in den vier Feldern dienen der Selbstreflexion. Damit werden die eigene Lernchancen aufgezeigt und die eigenen Kompetenzen verbessert.

Der Begriff "kritische Hinterfragung" darf dabei aber nicht negativ betrachtet werden. Kritisch heisst prüfend. Das Ergebnis der Prüfung kann dann positiv oder negativ sein. Und egal, ob die Antwort auf die kritischen Fragen positiv oder negativ beantwortet werden, bieten sie Chancen zum lebenslangen lernen.


Zusammenfassung:

Reflexion gehört zur Beratertätigkeit, um die Qualität zu sichern und die eigene Entwicklung fortzuführen. Mit der Matrix der kritischen Hinterfragung geschieht dies systematisch in den zwei Dimensionen strategisch/operativ und prospektiv/retrospektiv. Die Hinterfragung geschieht im Zyklus:

  1. strategisch-prospektiv: erwünschte Veränderung
  2. operativ-prospektiv: geplante Massnahmen
  3. operativ-retrospektiv: durchgeführte Massnahmen
  4. strategisch-retrospektiv: erzielte Veränderung

In jedem der vier Felder dienen Fragenkataloge, sich der kritischen Hinterfragung zu unterziehen. Die Antworten zeigen Lernchancen auf, wie die eigene Kompetenzen verbessert werden können.


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